Dachverband der Geowissenschaften

Willkommen auf der Webseite des Dachverbandes der Geowissenschaften e.V. (DVGeo)

Das Anthropozän – Umweltwandel im menschengemachten Zeitalter

Ein spannendes und aktuelles Thema aus bio- und geowissenschaftlicher Sicht für Schüler*innen beleuchten – das war Ziel der gemeinsamen Veranstaltung von DVGeo und VBIO (Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland). Die Wahl fiel schließlich auf das Thema „Das Anthropozän – Umweltwandel im menschengemachten Zeitalter“ Die Online-Veranstaltung am 23. September 2022 fand dann großen Anklang: Am Ende lagen über 3.300 Anmeldungen aus allen Bundesländern – sowie aus den deutschen Schulen aus Shanghai, Boston und Mexiko-City - vor.

Reinhold Leinfelder als Referent auf einer Veranstaltung von DVGeo und VBIO

Zum Konzept des Anthropozäns

Vor ca. 22 Jahren prägte Paul Crutzen den Begriff des Anthropozäns als neues geologisches Zeitalter, um aufzuzeigen, dass die Menschheit das Erdsystem prägt. In Deutschland hat sich Prof. Reinhold Leinfelder von der FU Berlin intensiv mit diesem Begriff auseinandergesetzt. In seinem Einführungsvortrag stellte er dar, auf welchen Ebenen sich der Einfluss des Menschen auf Geo- und Biosphäre besonders stark zeigt: so bewirken die – seit der Industrialisierung zunehmenden – wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschen, dass sich das Klima ändert, der Meeresspiegel steigt und die Biodiversität abnimmt. Die Technosphäre, also alles, was der Mensch erschaffen hat – von Kraftwerken über Betonbauten bis hin zu Smartphones – nimmt 16% der gesamten Erdoberfläche ein, davon 45% der Landfläche. Seit 1950 ist eine Beschleunigung geoökologischer und sozioökonomischer Trends bei Kennzahlen wie z.B. CO2 in der Atmosphäre, Meeresversauerung und Artenschwund sowie Bevölkerungsentwicklung, Energie- und Düngerverbrauch erkennbar. Erdgeschichtlich können Technofossilien wie Beton, Plastik, aber auch radioaktiver Fall-out und atmosphärische Anomalien, z.B. in Eiskernen, festgestellt werden.

Leinfelder betonte, dass im Anthropozän der Mensch in der Verantwortung steht – und es viele Möglichkeiten gibt, diese auch anzunehmen: so sollte Ökonomie zukünftig nur noch im Zusammenhang mit Ökologie und sozialen Aspekten betrachtet werden und stärker als bisher vernetzt gedacht werden. Zukunft sollte als „Möglichkeitsraum“ betrachtet werden. Ganz explizit ist damit die  die junge Generation angesprochen, sich darauf einzulassen, möglichst vielfältig ungewohnte Optionen auszuprobieren (z.B. Insekten essen) und Visionen zu entwickeln. Der Vortrag endete mit dem Statement, dass es nicht DIE eine Lösung gebe, sondern eine Lösung unserer aktuellen Probleme sich nur aus vielen verschiedenen Bausteinen ergeben kann.

 

Wasserhaushalt im Anthropozän

Die zunehmende Dürre ist eine der Auswirkungen des Klimawandels, die in Deutschland seit mehreren Jahren eindrückliche Bilder hervorbringt und so für viel mediale Aufmerksamkeit sorgt. Dr. Andreas Marx vom Zentrum für Umweltforschung betreut den Deutschen Dürremonitor und zeigte in seinem Vortrag sowohl das Problem als auch viele Lösungsvarianten auf. Dürre – sowohl der Böden als auch Niedrigstände in Oberflächengewässern - entsteht durch mangelnden Niederschlag und große Hitze. Sie wirkt sich negativ auf viele Sektoren aus, im Wesentlichen auf Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Nutztierhaltung; in geringerem Maße auch auf den Schiffsverkehr, Energieerzeugung und Tourismus. Anpassungsmöglichkeiten für Forst- und Landwirtschaft bieten z.B. eine angepasste Saatgut- und Sortenauswahl, Mulchauflagen um Niederschlagswasser besser in den Boden zu bringen. Auch Bewässerung,  Mischvegetation wie Streuobstwiesen und Mischwälder können der Austrocknung vorbeugen. Marx schloss seine Ausführungen mit dem Hinweis, dass zukünftig die Dürrewahrscheinlichkeit zwar zunehmen, aber kein Normalzustand sein werde.

 

Landwirtschaft im Anthropozän

Prof. Cathrin Westphal von der Universität Göttingen beleuchtete einen anderen Aspekt des Anthropozäns: um die steigende Weltbevölkerung ernähren zu können, muss der landwirtschaftliche Ertrag gesteigert werden – gleichzeitig ist eine intensivere Landwirtschaft aber auch eine wesentliche Ursache der globalen Artenverluste. Die Herausforderung liegt also in einer ökologischen Intensivierung der Landwirtschaft. Das gelingt zum Beispiel mit einer Erweiterung der Fruchtfolgen durch Leguminosen, die selbst Stickstoff bilden und so zu einer Verringerung der Düngemittel beitragen. Auch strukturreiche Lebensräume und größere Biodiversität in benachbarten Flächen wirken sich positiv auf den Ertrag landwirtschaftlicher Produkte aus, da so die Bestäuberleistung von Insekten, wie Hummeln oder Bienen, gesteigert werden können. Voraussetzung dafür ist eine Diversifizierung der Landwirtschaften mit Hecken, Blühstreifen und erweiterten Fruchtfolgen sowie eine Ausweitung und Vernetzung von Naturschutzgebieten. Mit innovativen Züchtungsmethoden und neuen Pflanzen können ebenfalls bessere Erträge erwirtschaftet werden. Westphal schloss ihre Ausführungen damit, dass Agrobiodiversität - also die biologische Vielfalt der für die Landwirtschaft und Ernährung genutzten Pflanzen, - unsere Welt den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung näherbringt, aber auch nur ein Baustein von vielen ist.

 

Leben im Anthropozän

Die anschließende Diskussion speiste sich aus der Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler, die aktiv Fragen einbrachten. So etwa wo das Wasser herkomme, ob vegetarisch essen die Welt retten könne oder ob eine (Bio)Diversitätspflicht sinnvoll sei. Die Veranstaltung schloss mit der Frage eines Schülers, welches Verkehrsmittel die Vortragenden und Moderatoren nutzen – E-Autos wurden bei der Antwort nicht erwähnt, stattdessen Fahrrad und ÖPNV.

Insgesamt eine gelungene Veranstaltung, die das Konzept des Anthropozäns vorstellte, die aktuellen Herausforderungen nicht aussparte, aber auch konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigte